Erlebnisbericht vom Berlin-Marathon (29.9.2002)

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Früh ging's los. Verdammt früh. 4:37 Uhr ab Aachen Hauptbahnhof, 4:41 Uhr ab Rothe Erde. Also konnten wir 4 Minuten länger schlafen. Im Zug waren schon die Flinken Flaschen, mit denen unser Lauftreff Beverau eine Fahrgemeinschaft bildete. Im Gegensatz zu vielen Kegelvereinen, und anders als der Name vermuten läßt, hatten die Flinken Flaschen noch kein Bier ausgepackt, sondern begrüßten uns mit einem freundlichen, wenn auch manchmal müden "Hallo".

In Köln stiegen wir um in den ICE, der recht komfortabel war. Mittlerweile wurde es hell und es ging fix über Wuppertal und Hamm nach Bielefeld. Dort wurden Erinnerungen an den Hermannslauf wach. Hoffentlich wird es nicht wieder so eine Schlammschlacht wie im April, als ich mit Georg dort lief. In Hannover stieg Georg zu, unsere Reisegeschwindigkeit erreicht über 250 km/h und um 10:35 Uhr waren wird pünktlich in Berlin.

Während die Flinken Flaschen erst in ihr Hotel wollten, fuhren wir direkt zur Startnummernausgabe auf dem Messegelände. Für einen ausgedehnten Rundgang über die Messe war es uns zu warm, deshalb fuhren wir direkt weiter in unsere Quartiere. Berlin ist sooo groß, doch zufällig lagen unsere Unterkünfte beide in Schöneberg, nur 100 m voneinander entfernt.

Für echte Sportler sind die 98 bzw. 100 Stufen nach oben kein Problem, auch nicht mit Gepäck. Jedenfalls... Nunja, das kommt später.

Nach einem kurzen Einkauf packten wir kurz unsere Sachen aus, aßen was und mußten sofort wieder los.

Um 16:00 Uhr waren wir mit den Flinken Flaschen zu einer Stadtrundfahrt verabredet. Fuß- und Beinschonend mit dem Bus. So viele Fakten, so viele Zahlen, so schnell wieder vergessen.

Danach ging's zum Italiener. Es gab Nudeln, was sonst. Gestaunt haben manche bei dem Viertel Wein, welches ich bestellt und getrunken habe. Wäre mir früher nicht passiert, aber die Wirkung war durchaus positiv, denn nach dem frühen Aufstehen ging's auch früh ins Bett.

So hatte ich um 6:20 Uhr, als der Wecker piepste, immerhin über 8 Stunden geschlafen - länger als bei jedem Marathon zuvor.

Lag's am frühen Aufstehen am Tag zuvor oder am Wein? Vermutlich an beidem.

Brötchen in den Ofen, etwas Kaffee dazu. Dann in S- und U-Bahn bis Bahnhof Zoo und zu Fuß zum Start.

Unterwegs noch was trinken, dazu ein Power-Gel. Noch ein Mal Erleichterung verschaffen im wohl-riechenden Klo-Häuschen.

Über den Zaun in den Startbereich - jetzt kann's losgehen.

Um 9:00 Uhr war pünktlich der Start. Nach 1:52 min waren wir an der Startlinie - so schnell geht's selten bei einem großen Marathon. Den ersten Kilometer in 5:05 min. Vorbei an der Siegessäule, durch das (noch verhüllte) Brandenburger Tor und riesigen Menschenmengen auf beiden Straßenseiten. Das Tempo steigt auf 4:30 min/km, aber das Überholen ist noch schwierig.

Lukas macht sich auf und davon; Rainer und ich bleiben "allein". Nach 8 km fragt Rainer wieder nach dem Tempo. 4:19 min für den letzten Kilometer. Das ist ihm zu schnell. Jetzt bin ich ganz alleine.

An der Brücke muß sich der Rollstuhlfahrer, den ich dort überhole, schon quälen. Während ich diese kleine Steigung kaum merke, hat er ziemliche Probleme.

Anfangs schwitze ich sehr stark. Deshalb trinke ich auch an jeder Verpflegungsstelle Tee oder Wasser. Auf Äpfel und Bananen verzichte ich.

Halbmarathon in 1:34:15 - aber der anstrengendste Teil kommt noch.

Kurz danach spüle ich mein Power-Gel mit viel Wasser hinunter. Mittlerweile fängt mein linker Oberarm an zu brennen. Trotz Creme bin ich wund gescheuert. Das kann ja heiter werden. Aber muß ja nicht sein. Nach 25 km laufe ich ins DRK-Zelt und laß mir Vaseline auftragen. Danach lief's wie geschmiert.

Bei Kilometer 27 steht Martine, meine Frau. Ich bin schon vorbei als ich sie höre. 10 Meter zurück, ein kurzer Kuß, und weiter. "Lukas ist nicht weit vor dir", höre ich sie noch sagen. Aber schneller geht's nicht.

Langsam läßt mein Tempo etwas nach - etwa 20 sec pro Kilometer. Aber das halte ich auch bis zum Schluß.

Bei km 40 biegen wir auf den Kuhdamm und ich bekomme eine Gänsehaut. Jede Menge Leute und eine Super-Stimmung. Die Gedächniskirche bei km 42 habe ich nicht gesehen. Nur den Bogen über der Straße, auf dem SMILE geschrieben stand. Noch eine Kurve, da ist das Ziel.

3:13:23 und damit eine neue Bestzeit.

Kurz hinter dem Ziel gratulieren mir wildfremde Leute und ich gratuliere ihnen. Erst mal was trinken, dann zwei Apfelscheiben. Ein paar Meter weiter wartet Lukas, der mit 3:10:47 nicht weit vor mir war. Zusammen gehen wir zur Massage. Zwei nette Damen kümmern sich um meine Beine, die Sonne kommt raus und ich könnte so einschlafen.

Arm in Arm lassen Lukas und ich uns fotografieren. Dann holen wir unsere Kleiderbeutel und ziehen uns um. Rainer ist nicht zu sehen, aber sicher schon im Ziel. (War er auch, mit 3:23:45!) Die Dusche verschieben wir auf später. Wir gehen geradeaus weiter zum Treffpunkt am Buchstaben F.

Die nächsten Stunden vergehen mit den üblichen Berichten, die nur LäuferInnen verstehen und zu genüge kennen. Die Nicht-LäuferInnen möchte ich damit nicht langweilen.

Auch die Geschichten, die wir noch auf vielen Läufen erzählen werden, möchte ich hier mit dem Mantel der Barmherzigkeit verschweigen. Oder interessiert euch, wie jemand stundenlang nach unserem Treffpunkt suchte, wie jemand anders aussah, als er die Treppe runter ging, oder...

Naja, dann lauf einfach mal mit uns. Dann erzählen wir's dir.

 

Helmut