Erlebnisbericht vom 6-Stunden-Lauf in Köln am 19.09.2004

Kölner 12er

6 Stunden in Köln (Sylvie)

Eine spontane Entscheidung (Helmut)

6 Stunden in Köln

Seitdem ich länger laufe, wollte ich einmal einen Ultramarathon probieren. Und langsam wuchs im Kopf die Idee, die 100 km in Biel zu laufen. Dafür muss ich also trainieren und als Anfang schien mir ein 6-Stunden-Lauf ideal. Also los! Köln am 19.09.

Vincent begleitet mich und Helmut will auch mitkommen, als Streckensupport. Kurz bevor wir losfahren, frage ich trotzdem Vincent "willst Du nicht Dein Buch mitnehmen, falls es Dir doch zu langweilig wird?". "Neee, Helmut ist auch da, ich werde mich nicht langweilen!".

Wir sind gegen 12 Uhr da. Ich hole meine Startnummer ab und Helmut erfährt, daß ein Startplatz frei geworden ist. Er überlegt, ob er mitläuft und es dauert nicht sehr lang, bis er sich entscheidet. Laufschuhe und T-Shirt hat er schon, der Chip liegt in seiner Tasche. Hose und Strümpfe werden ihm geliehen. Und Vincent denkt bestimmt, er hätte doch sein Buch mitbringen sollen.

Die 12-Stunden-Läufer sind seit 7 Uhr unterwegs. Kurz vor 13 Uhr stehen alle (6-Stunden-)Läufer vor dem Startpunkt, an der Verpflegungsstelle. Und los geht's. Es handelt sich um eine flache 2 km-Runde. Praktisch, um zu rechnen, was man schon gelaufen ist. Meine Polar-Uhr hilft mir auch dabei, ich drücke drauf bei jeder Runde und damit kann ich mich nicht verrechnen. Ich möchte gern zwischen 55 und 60 km laufen, aber so wichtig ist es auch nicht. Hauptsache, ich laufe 6 Stunden lang und komme gut an.

Helmut läuft mit mir, manchmal läuft er schneller und wir laufen ab der nächsten Überrundung wieder zusammen. Ich überrunde Leute, Leute überrunden mich. Es wird nie langweilig, wie ich es gefürchtet hatte. Und bei jeder Runde läuft man an der Verpflegungsstelle vorbei. Tolle Verpflegung übrigens! Da gibt es viele unterschiedliche Sachen zu trinken und zu essen... und Gummibärchen sogar! Als Motivation nach 48 Minuten habe ich entschieden, ein paar Gummibärchen nach jeder Stunde zu nehmen. Haha, nächste Runde schon und zwei Gummibärchen in der Hand! Ich trinke einen Becher Wasser, wie bei jeder Runde. Mein Tempo ist konstant.

Sylvie   Helmut
Sylvie und Helmut

Schon nach 2 Stunden merke ich, daß es langsam schwer wird. Wieder ein paar Gummibärchen, aber irgendwie habe ich heute keine Lust auf die sonst bei mir so beliebte Süssigkeit. Ich trinke einen Becher Wasser und einen Becher Iso, vielleicht hilft mir das ein wenig. Kurz vor 3 Stunden überrundet mich Helmut und passt sein Tempo an meines an. Ich kann noch reden (was beim Laufen bei mir eher selten ist, aber gut, heute sind wir nicht so schnell unterwegs): "Helmut, wir haben kaum die Hälfte und ich kann schon nicht mehr!". Ich spüre leichte Krämpfe in den Beinen. Die langen Läufe haben mir aus verschiedenen Gründen in den 3 letzten Monaten gefehlt (der einzige war der Monschau-Marathon). Vielleicht muss ich jetzt für diesen Mangel bezahlen.

Sylvie und Helmut
Sylvie und Helmut unterwegs

Nach 3 Stunden mache ich eine Pause an der Verpflegungsstelle und trinke reichlich. Vincent sagt mir, daß ich momentan die erste Frau beim 6-Stunden-Lauf bin. Es gibt mir ein bißchen Mut, aber ich muss immer noch mit meinen Krämpfen kämpfen. Die sind zwar nur noch leicht zu spüren, aber es wird beim laufen unangenehm. Ich zweifle langsam, daß ich noch fast 3 Stunden laufen kann. Vincent merkt es ganz bestimmt und feuert mich an: "Komm, weiter, es sind nur noch 2 Stunden 50 übrig!". Na tooooll!

Sylvie
Sylvie trinkt und trinkt

Ab jetzt habe ich mein Laufstil geändert, zumindest so habe ich den Eindruck. Ich mache kleinere Schritte und es scheint mir nicht mehr so schwer. Ich werde wieder schneller (wie ich unter diesen Umständen schneller sein kann) und meine Rundenzeit ist wieder konstant. Ich trinke bei jeder Runde einen Becher Iso und gehe damit das Risiko ein, daß mein Magen irgendwann sich über all diese Flüssigkeitsmenge beschwert. Ich kann beim Laufen immer noch nicht essen. Ich arbeite dran und probiere ab und zu Rosinen oder Kuchen, aber alles ist zu trocken.

Sylvie
Sylvie bei der Verpflegungsstelle

Die zwei letzten Stunden scheinen mir schnell vorbeizugehen. Nach 50 km nehme ich meine Fleecejacke mit. Ich schaffe noch eine Runde. Ich überlege jetzt taktisch. Am Ende der 6 Stunden, beim Hörsignal müssen alle Läufer stehenbleiben und der Rest der gelaufenen Strecke wird mit dem Laufrad gemessen. Ich wollte nicht auf der andere Seite stehen müssen und warten, bis die Organisatoren zu mir kommen. Ich entscheide also, ab jetzt ein bißchen zu gehen. Vincent kommt mit. Helmut überrundet uns und fragt nach seiner Jacke. Vincent geht zum Auto zurück und ich bin allein. Dann laufe ich wieder, da es sonst nichts anders zu tun gibt. Ich hoffe nur, daß ich die ganze Runde schaffe, um schnell unter die warme Dusche gehen zu können.

5 Stunden 58, es wird knapp. Ich habe plötzlich noch Kräfte für einen Endspurt. Biiip macht mein Chip über der Matte. Geschafft! Ich bleibe jetzt stehen, bis ich das Hörsignal höre. Mit dem Laufrad werden bei mir noch 27 Meter gemessen, also insgesamt 54027m. Ich bekomme meine Medaille. Und jetzt schnell duschen!

Sylvie und Helmut
Sylvie und Helmut nach dem Lauf

Nach der Dusche wird es mir bestätigt: ich bin die 1. Frau. Tolle Überraschung für meinen ersten Ultramarathon. Wir bleiben zur Siegerehrung. Es wird spät. Kurz nach 22 Uhr sind wir zu Hause.

Fazit: Dieser 6-Stunden-Lauf hat mir sehr viel Spaß gemacht. Die Ultramarathonläufer sind alle super nett. Die Strecke hier war angenehm zu laufen und die Verpflegung prima.
Es war mein erster Ultra und sicherlich nicht der Letzte.

 

Sylvie

P.S: Der lustige Ultramarathonläufer nach dem Lauf: Da Helmut nicht vorhatte, mitzulaufen, hatte er kein Badetuch dabei. Steppenhahn hat vorgeschlagen, er solle sich doch mit Papiertüchern oder Toilettenpapier abtrocknen. Nach so einer langen Anstrengung kann man immer noch grossartige Ideen haben!

Steppenhahn
Steppenhahns Vorschlag

Eine spontane Entscheidung

Lange habe ich überlegt, in Köln zu starten. aber es ging einfach nicht. Eine Woche vorher der Jungfrau-Marathon, und dann der 6-Stunden-Lauf, das war doch zu viel.

Nach dem Marathon habe ich noch mal kurz überlegt, aber dann waren alle Startplätze schon voll (30 für die 12 Stunden, 30 für die 6 Stunden). Aber zumindest wollte ich Sylvie vom Rand moralisch unterstützen.

Als langen Lauf für das Wochenende machte ich so Samstag Vormittag 25 gemütliche Kilometer durch den Aachener Wald. Nun ja, 40 Wochenkilometer kamen mir schon etwas wenig vor, aber immerhin war ich frisch aus dem Urlaub zurück und hatte noch einen Marathon in den Beinen.

Sonntags standen dann Sylvie und ihr Mann Vincent pünktlich um 11 Uhr vor der Tür und fröhlich fuhren wir nach Köln. In meiner Lauftasche befanden sich nur ein paar Kekse, ein paar Trauben und eine Flasche Wasser.

Wir kamen rechtzeitig an und Sylvie holte ihr Startnummer. Ich erzählte, dass ich auch mal überlegt hatte zu starten, aber...
Da bekam ich erwidert, es wäre noch ein Startplatz frei geworden. Wenn ich wolle, könne ich noch nachmelden.
Laufschuhe hatte ich ja zufällig an. Aber, ich habe doch keine Hose mit. Naja, die kannst du dir bestimmt leihen, war die Antwort.

Okay, also 30 Euro auf den Tisch des Hauses. Mein Champion-Chip war, wie immer, in meiner Lauftasche. Eine halblange Hose lieh mir Uschi Meister, auch bekannt als Ultra-Schnecke. Stefan Weigelt, DUV-Webmaster, lieh mir noch ein paar Strümpfe. Ein T-Shirt hatte ich an, ein Finisher-Shirt vom Rursee-Marathon, echt Baumwolle, aber zur Hose farblich passend.

Wo sollte das alles enden? In den Schuhen war ich noch keine 100 km gelaufen, ich hatte keinen Kohlenhydrat-Speicher aufgebaut, sondern ganz im Gegenteil am Vortag meine Depots verheizt. Egal, ich wollte ja nur Sylvie begleiten und ein paar Leute treffen.

Die Ultra-Welt ist ja ein Dorf; und so traf ich viel alte Bekannte:
- Sigi und Conny Bullig, die hier nur Zuschauer waren. Sigi war Veranstalter des Erkrather 6-Tage-Laufs (Tage!, nicht Stunden), wo Conny klar die Frauenwertung gewann.
- Martin und Else Bayer, die hier beide liefen. Else aber diesmal, anders als in Erkrath, nicht im Rock. Metergleich kamen die beiden ins Ziel.
- Detlev Ackermann, Webmaster von Laufen-in-Koeln.de und auch Teilnehmer beim 6-Tage-Lauf, machte hier Fotos für seine Webseite.
- Stephan Isringhausen-Bley, bekannt u.a. durch seine Ultra-Marathon-Webseite Steppenhahn.de, lief 50 km in 6 Stunden. - Elke Melzer, mit der ich in Stein 2 Stunden gemeinsam gelaufen war, saß mit einer Vereinskollegin am Rand und beschwerte sich immer, wenn ich mal quatschte oder gemütlich etwas trank.
- Marion Braun lief die 12 Stunden und wurde von ihrem Mann Wolfgang supported.

Was ich sagen will: Es gab immer einen guten Grund, langsamer zu laufen oder mal stehen zu bleiben.
Aber dann mußte ich wieder hinter Sylvie her.
In der zweiten Stunde legte ich ein paar schnellere Runden ein, bis ich Sylvie überrundet hatte und mich wieder erholen konnte. Ein neuer Rekord war sicher nicht drin, aber eine 6 sollte bei den Kilometern nachher schon vorne stehen. Wolfgang meinte zwar, er wolle dort eine 7 sehen, aber das wäre vermessen gewesen.
Nach der dritten Stunde hörte ich Sylvies Atem schneller werden. Ich war mir nicht sicher, ob es gut war für sie, mit mir zusammen zu laufen. So machte ich mich noch mal auf den Weg, sie noch mal zu überrunden. Dabei traf ich Ingo Grafe, der in Spanien lebt und sich noch einiges vorgenommen hat. So etwas ist immer spannend zu hören und die Zeit vergeht schnell.

Die fünfte Stunde verging schnell, weil Sylvie und ich den Steppenhahn trafen und gut unterhalten wurden. Wir wollten schon Tmpo machen, als er von hinten kam, aber er meinte, wir sollen das bloß sein lassen, denn wir wären sein Ziel gewesen.

In der letzten Stunde mußte ich mich dann entscheiden: Bei Sylvie bleiben oder die 60 km schaffen. Aber letztendlich war mir klar, daß Sylvie das auch alleine schaffen würde und so nutzte ich eine ihrer Gehpausen, um mich noch mal auf den Weg zu machen. Dabei unterhielt ich mich dann mit dem Eigentüer meiner Strümpfe, Stefan Weigelt. Er war mittlerweile 5 Runden (10 km) vor mir und strebte 71 km an. Nach 2 gemeinsamen Runden ließ ich mir etwas Zeit am Verpflegungsstand und ihn ziehen.

Kurz vor Ablauf der 6 Stunden hatte ich die 60 km voll und blieb am Verpflegungsstand stehen bzw. sitzen. So wurde ich schnell vermessen und konnte duschen gehen. Allein - ich hatte kein Handtuch. Dieses wurde mir aber im Fitness-Center, wo auch die Duschen waren, kostenlos geliehen. So war ich schnell wieder fit.

Überrascht hörte ich danach, daß Sylvie die Damenwertung mit 2 Runden Vorsprung gewonnen hat. Da mußten wir natürlich noch bis zur Siegerehrung bleiben. Und, siehe da, was erhielt ich noch als Dreingabe: Ein Handtuch.

 

Helmut


Ergebnisse:
Sylvie54.027 m, Platz 1 der Frauen
Helmut60.020 m, Platz 12 der Männer


Home