Erlebnisberichte vom Echternach Marathon am 17.10.2004

Echternach Marathon

Erlebnisbericht von Sylvie

Erlebnisbericht von Herbert


Bericht von Sylvie

Nachdem ich die Höhenmeter von Bitburg und Monschau überlebt hatte, wollte ich endlich mal einen flachen Marathon laufen. Herbert erzählte mir von dem Echternach Marathon am 17.10 und ich entschied mich mitzulaufen. Dort wollte ich unbedingt unter 4 Stunden laufen. Ich wußte, daß es machbar ist, aber je mehr der Tag sich näherte, desto mehr zweifelte ich daran.

Vincent wollte auch mitkommen, als Fahrer, Streckensupport und Fotograph. Dieses Mal wollte ich keine Zeit an der Verpflegungsstelle verlieren und lieber eine kleine Flasche tragen, die ich unterwegs bei Vincent tauschen würde.
Der Start ist um 10 Uhr. Um die Startnummern abzuholen müssen wir früher da sein. Dazu kommt die Fahrt. Es ist also geplant, Herbert um 6:45 Uhr abzuholen. Das heißt, wieder früh aufstehen.

Bisher konnte ich wirklich nicht sagen, was ich an Marathon hasse. Ich hatte lange darüber nachgedacht, und eigentlich fiel mir nichts ein. Es macht einfach Spaß.
Mittlerweile hat sich meine Meinung geändert. An Marathon hasse ich, daß man fast immer super früh aufstehen muß. Ich habe im Allgemeinen damit zwar kein Problem, ich bin eher Frühaufsteherin, aber zu früh muß es auch nicht sein.
Und genau an dem Tag mußte ich um 5 Uhr aufstehen. Vor so einem Lauf habe ich es gern, wenn ich mir ruhig Zeit für die Vorbereitungen lasse (besonders für das Frühstück).
Ich höre meinen Wecker und sofort denke ich "oh nein, warum tue ich mir sowas an?" und will nicht aufstehen. Ich bin müde. Nach ein paar Sekunden bewege ich mich, so gut ich kann. Ich rolle mich aus dem Bett und krieche langsam bis zur Dusche. "Oh Mann, ich habe keine Lust, ich will nur im Bett liegen". Nach der Dusche geht es wieder einigermaßen gut. Jetzt kommt das Frühstück und der Kaffee tut mir gut.

Wir holen Herbert ab und fahren Richtung Luxemburg. Ich bin noch müde und schlafe ein bißchen im Auto. Bis kurz vor dem Start bin ich nur am Gähnen. Es ist frisch und es regnet ein bißchen. Ich habe eine kurze Hose an und das T-Shirt, das Vincent mir vor kurzem geschenkt hat (das T-Shirt ist einfach super, deshalb habe ich gewagt, es schon beim Wettkampf zu tragen; im Rücken wurde ein Küken gedruckt (Calimero), der Hanteln hebt. Das soll eine Darstellung von mir sein, denn ich bin wie der Calimero, wenn er sagt "oh das ist so ungerecht" (sowas sage ich z. B. wenn es keinen Nachtisch oder Schokolade gibt) und manchmal (aber nur manchmal) liege ich auf der Couch und will mich nicht bewegen und bitte Vincent darum, mir ein Glas Wein... ääähm Wasser mitzubringen "oh bitte, bitte, ich bin so platt". Und jetzt meint er "Ja, ja, Du spielst den armen kleinen Calimero, wenn es Dir paßt aber immerhin kannst Du Marathon laufen". Na ja, also bin ich seiner Meinung nach ein Powerküken, eine Art Calimero, der trotzdem ab und zu Power hat... das war's für die kleine Geschichte!).

Powerküken
Mein neues T-Shirt

Alle Läufer sammeln sich am Start und es geht los. Um unter 4 Stunden zu bleiben, muß ich 5:40min/km laufen. Ich habe vor ein bißchen schneller zu laufen (vielleicht 5 Sekunden pro km), um einen Vorsprung zu haben, da ich bei den letzten km meistens Schwierigkeiten habe. 1. km: 4:58 min, oh da bin ich viel zu schnell. Ich muß langsamer laufen. 2. km: 5:02 min. Das kann nicht sein, ich dachte, ich wäre jetzt langsamer. Nochmal bremsen. 3. km 5:01 min. Nein, nein, nein, nicht wieder wie in Monschau (ich war damals viel zu schnell gestartet und fühlte mich wohl dabei, aber zu schnell los + Hitze und vielleicht auch nicht genug Training machten, daß ich ab km 16 total fix und fertig war und mußte quälend bis zum Ziel kriechen).

Herbert und Sylvie am Start
Herbert und Sylvie am Start

Die Strecke ist flach. Wir laufen erstmal 2 Runden a 8 km, dann geht es links auf der Straße entlang der Sauer. Bei km 21 gibt es einen Wendepunkt und wir laufen zurück und dann geht es weiter bis km 34, dann noch ein Wendepunkt und wir laufen bis zum Ziel.
Nach einigen km habe ich mein Tempo gefunden. Ich bin bei 5:20 oder 5:30 min/km. Die erste Runde ist geschafft und ich fühle mich gut. Ich habe meine kleine Flasche dabei, trinke regelmäßig und muß nicht bei jeder Verpflegungsstelle anhalten.

Sylvie
Sylvie bei km 8

Bei jedem Kilometer schaue ich auf meine Uhr, um mein Tempo zu prüfen. Ich bin z. Zt etwas schneller als geplant, aber so ist noch in Ordnung. Jedoch muß ich aufpassen, daß ich nicht zu langsam werde. Die zweite Runde ist vorbei. Ich sehe Vincent wieder und tausche meine Flasche Iso. Es geht mir erstaunlicherweise sehr gut und fühle mich noch frisch.

Sylvie   Herbert
Sylvie und Herbert

16 km sind hinter mir und wenn ich dieses Tempo noch bis km 26 halte, sollte ich es unter 4 Stunden schaffen, auch wenn ich langsam werde. Bis km 21 läuft es gut. Auf der anderen Seite sehe ich schon die ersten Läufer. Dabei denke ich, daß der Wendepunkt nicht sehr weit sein soll. Jedoch dauert es noch lange bis ich dort ankomme. Ich werde nach und nach nicht weniger frisch. Ich kann noch gut atmen, der Puls ist im grünen Bereich (sogar niedriger als sonst) und ich liege immer noch bei 5:30 min/km. Alles läuft einfach gut. Kurz nach dem Wendepunkt ruft mich Herbert. Ich bin überrascht, daß er auch schon da ist. Es freut mich und ich denke, daß er mich ziehen können wird, wenn ich doch plötzlich kaputt bin. Ab dem km 23 fangen die Schwierigkeiten an. Es geht mir zwar bestens, nur spüre ich einen Schmerz im rechten Knie. Genau wie letztes Jahr. Es tut weh und ich fürchte, daß ich bald das Bein nicht mehr biegen kann. Jeder Schritt auf der Straße wird eine Quälerei, als ob jemand einen Schraubenzieher ins Knie drücken würde. Ich laufe weiter, ich trinke, ich bewundere die Landschaft und versuche, den Schmerz zu ignorieren.
Die Zuschauer sind einfach toll. Sie klatschen, sie singen und sorgen für Stimmung. Auch einzelne Spaziergänger klatschen, eine Dame sagt mir "Allez Madame, courage!", ich lächele und bedanke mich "merci!". In meinem Kopf sieht es aber nicht so fröhlich aus. Ich mache mir Gedanken wegen meines Knies. Ich habe 10 Minuten Vorsprung und bin fast sicher, daß ich meine Zielzeit schaffen kann, wenn mein Knie mitmacht. Aufgeben kommt gar nicht in Frage. Sowas habe ich schon erlebt, in Wettkampf kann ich so stur sein. Bei meinem ersten Halbmarathon hatte ich das Problem und mußte regelmäßig Gehpausen einlegen, damit der Schmerz wieder einigermaßen erträglich wurde. Ich wollte nicht aufgeben und nach dem Zieleinlauf konnte ich kaum noch gehen und es dauerte noch Wochen, bis ich endlich mal wieder traben konnte.
Bei km 26 ist Vincent da. Ich laufe also bis dahin. Unterwegs rede ich mit einem Läufer. Er erzählt mir, daß er nach einem 100 km-Lauf zwei Tage braucht, um sich zu erholen. Plötzlich ist so viel los. Mein Mitläufer sagt "oh bah je croyais qu on etait deja arrive, moi!" (ach, ich dachte, daß wir schon im Ziel sind!). Er läuft weiter und ich mache eine kleine Pause. Ich tausche meine Flasche Iso und mache ein paar Dehnübungen. Vincent freut sich, daß ich einen Vorsprung habe und fragt mich, wie es mir geht. Bei diesem Marathon kam es mir vor, als ob ich andauernd lächeln würde. Ich sage ihm trotzdem das mit dem Knie. Ich laufe weiter.

Sylvie   Sylvie   Sylvie   Sylvie   Sylvie   Sylvie
Erstmal die Flasche abgeben, dann ein bißchen dehnen, was sagt die Uhr? Und schon geht es weiter. Danke Vincent!

Herbert ist auch nicht sehr weit und gleich kommt er bei km 26. Bei ihm scheint alles in Ordnung zu sein.

Von meinem Knie abgesehen geht es mir gut. Ich trinke regelmäßig, mein Tempo bleibt unverändert. Ich spüre, daß das Dehnen mir gut getan hat und der Schmerz läßt nach. Ich bin einfach glücklich. Jetzt kommt das Schwerste mit den letzten km. Ich muß weiter so. Hauptsache, nicht zu langsam werden. Ich trinke noch, aber langsam widern mich diese Iso-Getränke an. Nächstes Mal sollte ich Geschmack Orange nehmen, es schmeckt viel besser.
Die Kilometer werden länger, ich schaue in der Ferne, wo das nächste km-Schild steht. Ich bin langsam müde, aber so schlimm ist es nicht. Ich mach noch eine kuze Pause und biege mein Knie. Anscheinend geht es ihm besser und es will weiter mitmachen. Es freut mich.
Bei km 34 gibt es den letzten Wendepunkt. Ich suche Herbert und sehe ihn schon. Er schafft es auch unter 4 Stunden. Prima!
Ab jetzt ist mir klar, daß ich mehrere Gehpausen einlegen könnte. Ich habe genug Vorsprung. Ich tue es aber nicht. Nie war ich allein auf der Strecke und es hilft, wenn ein Läufer in der Nähe ist.
Bei km 37 gibt es eine Verpflegungsstelle. Ich schmeisse meine Flasche weg (nach 3 Stunden mit der Flasche in der Hand schmerzt mein Arm) und trinke Wasser. Nur noch 5 km. Weiter! Bei jedem Schild freue ich mich mehr. Und jetzt ist es nicht mehr weit. Toll-toll-toll!

Sylvie   Sylvie
Sylvie fast im Ziel

Am Mikrophon höre ich "Sylvie Honnet, LT Beverau Aachen, eine Aachenerin!". Ich drücke auf meine Stoppuhr. 3:52:06
Ich bekomme meine Medaille und eine Rose. Und jetzt dehnen!
Ich trinke einen Becher warmen Tee. Es geht mir so gut! Ich warte jetzt auf Herbert; er sollte gleich ankommen.

Herbert und Sylvie   Herbert und Sylvie

Herbert im Ziel, 3:55:52. Wir gratulieren uns gegenseitig.

Wir unterhalten uns, wir trinken, wir genießen den Augenblick.
Wir haben eine warme Dusche verdient. Nachher gehen wir ins Zelt, Bier trinken, Waffel essen. Ich nehme eine Broschüre für den Marathon des Sables mit (das wär' was!). Schließlich machen wir uns auf die Heimfahrt.
Ich bin in meine Gedanken vertieft. Es war ein guter Tag. Ich bin natürlich froh darüber, daß ich unter 4 gelaufen bin. Aber egal wie lange man braucht bis zum Ziel, bei jedem Marathon handelt es sich um ein besonderes Erlebnis, nach jedem Marathon ist man glücklich und stolz. Deswegen liebe ich Marathon. Und immer wieder werde ich meinen Hass überwinden und so früh aufstehen, wie es sein muß.

 

Sylvie


Bericht von Herbert

Aufstehen um 5:45 Uhr - Mann ist das früh. Diesmal genieße ich es gefahren zu werden. Vincent und Sylvie holen mich um 6:45 Uhr ab. Es ist noch dunkel - wir reden wenig. Vincent wundert sich, als sich im Gespräch ergibt, dass ich schon seit 30 Jahren Auto fahre (er hatte mich noch nicht für 47 eingeschätzt - der Tag fängt doch gut an).

Nach der mehr als bescheidenen Leistung beim Benefizlauf (schnell noch auf 5 km umgemeldet) und den doch langsameren Marathon's in HH, Bitburg, Monschau und zuletzt in Karlsruhe träume ich von einer 4:15, bin aber mehr als unsicher.

Sylvie will unter 4 h bleiben, die kann das! Bis HM wollen wir ev. zusammen laufen - ich denke, dass ich dann abfallen werde - das war unsere letzte Absprache.

Bei unserer Ankunft in Echternach ist es kalt aber trocken - Parken, Startnummern, Umziehen alles klappt prima - es beginnt zu regnen.

Startschuss um 10 Uhr - 3 Disziplinen werden zeitgleich gestartet 8 km, 16 km und Marathon, der Regen hat aufgehört (meine Jacke bleibt an!) Nach 2 Kurven ist mir Sylvie schon enteilt. Meinen ersten KM stoppe ich mit 05:11 - hoffentlich rennt Sylvie nicht zu schnell. Zunächst sind 2 Runden á 8 km zu laufen, ich laufe zusammen mit Christian, er siezt mich doch glatt (bin ich doch schon so alt?). Christian will unter 4 h ankommen und erklärt mir, dass wir zu langsam sind und die letzten km immer langsamer geworden sind - wir laufen zw. 05:20 - 05:35, meine Erklärung, dass man beim Marathon keinen Vorsprung herauslaufen kann hat er erst im Ziel verstanden, bei km 39 habe ich ihn wieder gesehen und praktisch stehen gelassen.

KM16, alles im grünen Bereich, das Tempo ist klar auf Kurs unter 4 - Mitläufer reden von 3:45 und ich bin immer noch gut dabei, wie lange noch? Es geht raus Richtung Westen. Hier und da vermisse ich eine zusätzliche Verpflegungsstelle. Bei KM21 ist der Wendepunkt - Läufer kommen mir entgegen, wo ist Sylvie? Da ist sie, sie hat gut 1 Minute Vorsprung - wieso laufen wir eigentlich nicht zusammen. (schön, dass sie nicht zu schnell geworden ist).

Bei der Verpflegung organisieren ich mir eine Flasche Wasser zum mitnehmen - wer weiß wozu das noch gut sein wird. Die Flasche begleitet mich bis KM40, dann ist sie leer - die zwischenzeitlichen Verpflegungen nehme ich trotzdem alle mit!

Herbert   Herbert
Herbert bei km 26.

Bei km 26 kommen wir wieder an Start-und-Ziel vorbei, Vincent habe ich bisher immer gesehen, auf die Bilder bin ich gespannt. In Karlsruhe ging mir jetzt die Luft aus - o.k. noch 2, 3 km Laufen und dann ins Ziel retten. Jetzt geht es nach Norden raus, der Wendepunkt ist bei km 34. km 30, immer noch 05:35, wieso soll ich eigentlich jetzt gehen? Ich laufe einfach weiter - es wird ein wenig schwieriger, die ersten Geher sind untewegs. Kurz vor dem Wendepunkt - dort ist die einzige Kontrolle der Startnummern - kommt mir Sylvie entgegen. Sie sieht immer noch frisch aus - Vorsprung auf mich ca. 2:30 - wieso laufen wir eigentlich nicht zusammen? Km 35 die letzte große Verpflegung - ich laufe auf Thomas aus Irrel auf. Thomas will unter 4 h bleiben, noch reicht die Zeit, "nur" noch 7 x 6:00 dann langt es. Wir laufen zusammen weiter - wenn Thomas das schafft kann ich das doch auch?! Sein " Betreuer" kommt mit dem Fahrrad vorbei und puscht uns auf, macht Fotos, reicht Getränke nach Wahl - jetzt geben wir beide Vollgas, ich vorne er klebt an meinen Waden. Wir überholen nur noch, auch Christian (s.o.) - es geht leicht bergauf, die Zeit reicht locker - ich kann es noch gar nicht fassen. Bei km 41 3:49:30, noch über 10 Minuten Zeit, da könnte ich doch glatt noch gehen - natürlich tue ich das jetzt auch nicht mehr. Im Ziel 03:55:52 - Super.

Herbert
Herbert im Ziel, 3:55:52.

Sylvie + Vincent stehen auch noch unmittelbar hinter der Ziellinie, ihr erster unter 4 h in 3:52:06 - Klasse, 3. Platz der WHK.

Nach dem Duschen im Zelt treffe ich meine Begleiter der letzten KM wieder - wir tauschen unsere email-Adressen aus. Auf die Fotos von der Strecke bin ich gespannt.


Es war eine echt gut organisierte Veranstaltung - mehr Zuschauer hätte es sicher bei besserem, wärmerem Wetter gegeben. 3 - 4 zusätzliche Verpflegungsstellen hätte ich mir schon gewünscht.

 

Herbert



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