Bericht vom Rursee-Marathon
7. November 2004

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Mein einsamer Marathon

Sonntag, 7. November 2004: Jetzt ist es also soweit: ich laufe meinen ersten Marathon. Weil ich Landschaftsläufe viel lieber mag als Stadtläufe und auch nicht ewig weit fahren wollte, war für mich schon vor Jahren klar: meinen "ersten" laufe ich am Rursee - nicht so heiß wie Monschau, nicht (ganz) so bergig und landschaftlich wunderschön.

Der Rursee
Der Rursee

Am Sonntagmorgen wache ich gegen Viertel nach sechs auf - eigentlich noch zu früh zum Aufstehen, zumal ich nachts über eine Stunde wach gelegen habe. Aber die Umstellung auf die Winterzeit ist erst eine Woche her und wohl noch nicht ganz im Körper angekommen. Egal, ich fühle mich zwar nicht super ausgeschlafen, aber eigentlich ganz fit.

Ingo hat schon bei uns übernachtet, Rainer kommt zum Frühstück dazu, und zusammen mit Dita, Sylvie und Vincent fahren wir dann los. Es ist relativ kalt, aber es gibt breite Streifen Blau am Himmel - sieht viel besser aus als heute nacht, als ich den Regen aufs Dach prasseln hörte.

Wir kommen um Viertel nach neun in Einruhr an, Parkplatz suchen, in der Zeit hat Helmut schon die Startunterlagen für alle geholt. Aber da steht eine lange Schlange an Nachmeldern fast bis an den Eingang des Zeltes, die uns noch Zeit kosten wird. In der Zwischenzeit treffe ich noch etliche Leute, die mir Glück wünschen - da kann doch fast nix mehr schief gehen!

Die Strecke
Die Strecke

Etwa um zwanzig nach zehn gibt es dann eine Durchsage: aufgrund der vielen Nachmelder wird der Start eine Viertelstunde nach hinten verschoben! Naja, ein bisschen ärgerlich, aber so bleibt locker noch Zeit für einen Toilettengang (die Schlangen werden immer länger).

Dann um 10:36 die nächste Durchsage: der Start wird nochmal verschoben - aber nach vorne, es soll schon in vier Minuten losgehen! Na gut, hab ich nicht so viel Zeit, nervös zu werden. Aber bis es dann schließlich und endlich losgeht, ist es dann doch fast Viertel vor elf - hätte man sich also sparen können, den Aufruhr.

Der Start
Der Start

Der Marathon und der 16,5 km-Lauf werden gemeinsam gestartet und teilen sich die ersten 11 km der Strecke, was für mich sehr angenehm ist - da gibt es viel mehr langsame Läufer dabei, und ich habe mir fest vorgenommen, die ersten zwei, drei km unbedingt langsam zu laufen - meine besten und schnellsten Läufe bisher waren immer die, bei denen ich am Anfang gebremst wurde. Also suche ich mir drei Frauen aus, die trotz ihres Vereinsnamens "Rennmäuse" relativ langsam sind, und bleibe den ersten km hinter ihnen - 9,5 Minuten, na, ganz so langsam wollte ich doch gar nicht, aber es hat gedauert, bis sich die knapp 1000 Leute, jeweils 500 für die 16,5 km und den Marathon, verteilt hatten. Dann überhole ich doch mal und sehe nach kurzer Zeit "Scheng" vor mir, einen 82 (!) jährigen Läufer. Ein paar km laufen wir zusammen und ich staune, wie man in dem Alter noch so fit sein kann. Ca. bei km 4 stehen Anne mit Hund Pixel und Katharina am Rand und feuern uns an - schön, doch mal ein bisschen Publikum zu haben. Denn auf diesen Spazierwegen um den See ist es doch recht ruhig, einige Spaziergänger begegnen einem, ein paar Läufer sehe ich vor und hinter mir, aber das Feld hat sich doch schon recht weit auseinandergezogen. Mittlerweile hat sich mein km-Schnitt bei 7 bis 7,5 Minuten eingependelt, und das hatte ich mir auch vorgenommen.

Aber jetzt kommt erstmal der heftige Anstieg zur Urftstaumauer, von dem ich bisher nur gehört habe (zusammen mit dem Tipp, hier auf jeden Fall zu gehen). Nach einem kurzen Blick auf die Steigung vor mir ist mir klar, was damit gemeint war! Gut, ein bisschen Gehpause nach knapp 7 km ist ja okay, und nach 200 m ist der "Gipfel" erreicht. Ein schöner Blick entschädigt für die Mühe, nach der Mauer winkt eine Verpflegungsstelle und ich genehmige mir den ersten von vielen Schlucken kalten Wassers. Weiter geht es im ständigen leichten Auf und Ab nach Rurberg (hatte Helmut nicht mal behauptet, dieser Marathon sei ganz flach, immer nur am See entlang? Letzteres stimmt zwar, aber flach ist er nun auch nicht ) - egal, die leichten Steigungen sind gut zu laufen, ich fühle mich frisch und habe richtig Lust zu laufen. Bisher läuft es einfach gut. An der nächsten Verpfegungsstelle gönne ich mir noch ein Stück Banane - der Tag wird noch lang, und das ohne Mittagessen....und jetzt kommt der Moment der Wahrheit: die Marathonis biegen in Rurberg nach rechts ab, die 16,5 km- Läufer nach links - ein Streckenposten will mich auf meinen vermeintlichen Irrtum aufmerksam machen und warnt mich, das sei die Marathonstrecke. Jaja, antworte ich, das ist schon richtig, auch wenn ich so langsam bin. Schade, langsame Marathonläufer sind eben doch etwas selten.

Nun bin ich auf einmal allein. Nun gut, ich war darauf gefasst, und die langen Trainingsläufe in den letzten Wochen habe ich ja auch allein geschafft. Zum Glück kenne ich die nächsten 27 km der Strecke, denn das Stück von Rurberg bis Rurberg bin ich vor zwei Wochen schon einmal zusammen mit Sylvie und Gabi als Supportfahrrad gelaufen.

Jetzt kommt ein etwas anstrengenderes Stück; der Anstieg zum Kermeter, der laut Karte 800 m lang ist - aber nicht sehr steil, alles lässt sich gut laufen, nur die Minutenzeit wird etwas schlechter. Ein Stück vor der nächsten Verpflegungsstelle das Highlight: ein Läufer vor mir! Ich hole langsam auf und als er hinter der Verpflegungsstelle geht, überhole ich ihn und grüße ihn mit: Es gibt ja doch noch Menschen hier, ich dachte, ich wäre ganz allein! Er erwidert: das geht mir auch so!

Ich laufe mit dem angenehmen Gefühl weiter, jetzt zumindest nicht mehr die Letzte zu sein. Es läuft immer noch richtig gut, meine km-Zeiten liegen bei 7 Minuten, ich fühle mich noch frisch, selbst mein Magen, der sonst auf längeren Strecken nach einer Stunde anfängt, sehr laut zu werden, hat sich offensichtlich mit dem Stück Banane und dem Apfel soeben zufriedengegeben, und auch die anderen Probleme, die sich manchmal bei meinen Trainingsläufen eingestellt haben (die rechte Hüfte, der linke Fuss taten schon mal ein paar km lang etwas weh) - heute passiert nichts.

Martine bei km 19
"Ah, endlich ein Mensch!"

Jetzt freue ich mich auf meinen nächsten Anlaufpunkt: Bei km 19, an der Staumauer in Schwammenauel wird Vincent stehen, dort gibt es auch noch eine Verpflegungsstelle. Und da sehe ich Vincent auch schon - im Moment fliegen die km nur so vorbei. Er läuft das kleine Stück bis zum Parkplatz neben mir - mit Kamera und ohne Laufsachen kein Problem bei meinem geringen Tempo. Ich lasse mir die Zwischenzeiten von Helmut, Rainer und Sylvie nennen, dann hole ich mir meinen üblichen Schluck kalten Wassers (eigentlich sollte es an den letzten drei Stellen auch Tee geben, aber wer zu spät kommt..... hat sonst nur noch die Alternative, zu giftig aussehendem übersüßem Elektrolyt zu greifen - na danke, dann bleibe ich bei dem, was ich kenne) und laufe über die Staumauer. Und sehe schon wieder einen Läufer vor mir, der deutlich langsamer ist als ich - na schön, denke ich, jetzt hole ich wohl die ein, die zu schnell gestartet sind. Aber er läuft an der Stelle, wo wir nach links zum See abzweigen sollen, geradeaus weiter! Vielleicht war es doch ein Jogger - in jedem Fall bin ich noch zu weit weg, um ihn zu rufen und ihn ggf. auf seinen Fehler aufmerksam zu machen. Hoffentlich merkt er es bald!

Jetzt kommt eine wirklich flache Strecke - hier kann ich ein bisschen Tempo machen. Aber zuerst mal kommt bei Halbmarathon das "Mittagessen" - eine Portion Powergel. Und weiter geht’s, jetzt freue ich mich auf km 30 - dann betrete ich Neuland, weil ich noch nie weiter gelaufen bin, und es wird spannend - wie wird es jetzt weitergehen? Natürlich merke ich langsam, dass die Beine müder werden - aber die erste Steigung bei Woffelsbach, die ich beim Trainingslauf gegangen bin, weil sie etwas unerwartet kam, kann ich gut hochlaufen. Also sage ich meinen Beinen (und mir): na, wenn ihr jetzt noch solche Steigungen hochlaufen könnt, danns schafft ihr’s auch bis zum Ziel! Nun kommt erstmal ein relativ steiles Straßenstück - dort wollte ich sowieso gehen, da kann man ein bisschen ausruhen (und wer früher hier war, hatte sicher dabei Zuschauer - hat also auch Vorteile, wenn man spät kommt!). Und jetzt freue ich mich auf die 32 km-Marke - ab jetzt wird die verbleibende km-Zahl einstellig und irgendwie übersichtlicher. Aber ich bin sicher, dass jetzt die km-Schilder weiter auseinanderstehen als am Anfang ;-)

Leider bemerke ich jetzt zum wiederholten Mal einen Wagen neben mir, der wohl die Müllsäcke einsammelt - also doch der Besenwagen hinter mir. Schade, der Letzte hat wohl aufgegeben. Aber das wird mir nicht passieren, ich fühle mich noch immer nicht wirklich erschöpft, nur werde ich jetzt etwas langsamer. Aber Schild folgt auf Schild, jetzt laufe ich eine lange Strecke durch Rurberg, schön, mal wieder Menschen zu sehen, und einer ruft mir zu: nur noch 5 km! Die Beine werden zwar langsam schwer, aber ich weiß jetzt: zur Not gehst du den Rest zu Fuß, ankommen tust du auf jeden Fall. Jetzt kommt die letzte längere Steigung, und hier merke ich jetzt doch, dass die Kraft nachlässt - hier bin ich vor zwei Wochen noch gut hochgelaufen! Aber egal, ein Stück gehen macht nix. An der letzten Verpflegungsstelle bei km 38 gibt noch ein Highlight: es gibt doch tatsächlich einmal heßen Tee! Da greife ich sofort dankbar zu und trinke gleich einen halben Becher, weil ich sehr durstig bin - das kalte Wasser war immer so wenig verlockend, dass ich nur das Nötigste getrunken habe. Obwohl mein Magen sonst große Mengen Flüssigkeit beim Laufen nicht so gut verträgt, scheint er heute zusammen mit allen Organen und Muskeln abgesprochen zu haben, heute mal ohne Murren mitzumachen, und so vertrage ich auch den Tee gut.

Jetzt kommt noch ein kurzes, sehr steiles, steiniges Stück den Berg hinab, das ich vorsichtshalber gehe, nicht nur, weil Fußgänger vor mir sind. Jetzt nichts mehr riskieren; sicher bin ich nicht mehr sehr konzentriert, da ist die Gefahr groß, sich zu "vertreten".

Jetzt freue ich mich, dass Helmut mir auf den letzten km entgegenlaufen will - es ist eben doch sehr einsam, und ein bisschen Gesellschaft und Aufmunterung für das letzte Stück tun sicher gut. Und da kommt er mir schon vor km 39 entgegen. Auf seine Fragen kannn ich jetzt nur kurz antworten: doch, es läuft gut, keine großen Probleme, aber ich bin jetzt müde, und so bin ich froh, dass er mir einfach erzählt, was bei ihm und den anderen so los war. Er warnt mich noch vor dem nächsten Anstieg - na gut, jetzt ist nur noch Gehen drin, aber ein Blick auf die Uhr zeigt mir: nicht nur mein oberstes Ziel "Ankommen" ist drin, ich müsste eigentlich auch unter 5:30 Stunden bleiben; das gibt noch mal Kraft, ein bisschen schneller zu laufen. Und dann kommt das wunderschöne Schild mit der 42; der kurze Anstieg zur Brücke, und als ich dahinter links abbiege, sehe ich schon meine Tochter einige Meter vorm Ziel stehen und mir zujubeln - in dem Moment schießen mir doch tatsächlich die Tränen in die Augen - ich habe es wirklich geschafft!

Martine im Ziel
Das Honigkuchenpferd

Was ich mir die ganze Zeit gesagt habe, fühle ich jetzt erst richtig, und so laufe ich mit Tränen in den Augen und grinsend wie ein Honigkuchenpferd ins Ziel. Dort wartet der ganze treue Fanclub, all die Armen, die schon vor Stunden im Ziel waren und jetzt wahrscheinlich schon kalte Füße haben.

Fazit: ich fühlte mich durch meinen 10-Wochen-Trainingsplan körperlich gut vorbereitet; und dass ein Marathon eigentllich im Kopf gelaufen wird, das hatte ich von vielen Marathonis gehört und mich entsprechend vorbereitet. Dafür war es vor allem wichtig, dass ich einen großen Teil der Strecke vorher schon kennengelernt hatte - so konnte ich mich auf schwierige Stellen einstellen und ließ mich davon nicht fertigmachen. Ein anderer guter Tipp war es, die Strecke im Geiste in Portionen aufzuteilen. Und so blieb das Warten auf den Mann mit dem Hammer zum Glück erfolglos - ich hatte nie das Gefühl, einfach nicht mehr weiterzukönnen und aufhören zu müssen.

Mein erster Marathon ist so gut gelaufen, dass er mit Sicherheit nicht mein letzter bleiben wird!

 

Martine



Ergebnisse:
Lukas Küpper3:08:19
Richard Panke3:24:31
Helmut Hardy3:35:35
Rainer Gerlach3:47:28
Ingo Schwieren4:05:28
Sylvie Honnet4:06:56
Martine Hardy5:29:21

Lukas Helmut Rainer Ingo Sylvie
Lukas, Helmut, Rainer, Ingo und Sylvie kurz vor dem Ziel


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