Erlebnisbericht vom Lapplandultra (Adak, Schweden) am 30.6./1.7.2006

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Adak - das Biel des Nordens

Wie kommt man auf die Idee, in Lappland 100 Kilometer zu laufen?

Es war eine Freundin, die mir schrieb, sie hätte auf einer Fete jemanden getroffen, der wäre noch bekloppter als ich. Der würde jetzt nach Lappland, nach Adak fahren, um dort an einem 100-km-Lauf teilzunehmen. Na, so eine Beleidigung, dachte ich mir. Das werden wir noch sehen.

Ich erinnerte mich an meinen alten Freund Reginald, der mittlerweile irgendwo in Nordschweden lebt. Vielleicht wusste der ja, wo dieses Adak liegt. Und vielleicht ließe sich ja ein Besuch bei ihm mit diesem Lauf verbinden. Kurz eine Mail geschrieben, schon kommt die Antwort: „Klar, Adak kenne ich, das ist nur 70 km von hier entfernt“.

70 km, das ist näher als die nächste Ampel. Quasi um die Ecke. Denn selbst bis zum nächsten Ikea sind es über 500 km!

„Und“, schrieb Reginald, „ich laufe mittlerweile auch Marathon. Da kann ich mich doch auch mal an einer längeren Strecke probieren.“

Aber so etwas will langfristig vorbereitet sein. Also erst mal aufbauen: In 2004 der Rennsteig, 2005 nach Biel. Und dieses Jahr dann Lappland. Infos gab es im Internet unter www.laplandultra.nu und anmelden konnte man sich dort auch.

Um das Ganze herum wurde dann noch ein Urlaub organisiert, denn die weite Reise sollte sich ja auch lohnen.

Am 28. Juni, Mittwoch, ging's los. Mit dem Zug zum Flughafen Köln/Bonn, von dort nach Stockholm.

Am Donnerstag Stadtbummel und abends mit dem nächsten Flieger weiter nach Storuman. Dort holte Reginald uns ab. Freitag konnten wir uns erholen, aber gegen Abend gerieten wir noch in 'Stress': Der Lauf sollte um 22 Uhr beginnen, aber das Fußballspiel Deutschland – Argentinien wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. 17 Uhr Anpfiff – alles im Plan. Verlängerung – jetzt darf aber nichts mehr dazwischen kommen. Elfmeterschießen – Und wenn wir jetzt in einen Stau kommen?

Reginald konnte nur lächeln. Solche Verkehrsprobleme sind in Lappland vollkommen unbekannt.

Um 19:50 Uhr fuhren wir los und waren pünktlich gegen 21 Uhr auf dem Parkplatz der Schule in Adak.

Vor dem Start
Vor dem Start

Meine Lauffreundin Sylvie und ihr Mann Vincent warteten schon auf uns. Innerhalb weniger Minuten war die Startnummer abgeholt, wir zogen uns um, ein letzter Toilettengang und viel zu früh waren wir fertig. Eine südamerikanische Tanzgruppe, eine Tombola und ein Würstchenstand bildeten das Rahmenprogramm für den Start. Die 16 Walker/Jogger waren schon um 20 Uhr gestartet. Jetzt machten sich langsam die 42 übrigen Läuferinnen und Läufer sowie die 6 Starter der Staffeln auf den Weg zur Startlinie.

Auf der Straße sprach mich Henry an, ob wir aus Aachen seien. So erfuhr ich, dass noch ein vierter Starter mehrere Jahre seines Lebens in Aachen verbracht hat. Mittlerweile lebt er aber in Norwegen und kam per Anhalter nach Adak. Den Lauf im Jahr 2004 hat er gewonnen, 2005 wurde er Zweiter; jeweils in einer Zeit von 8:26.

Der Start
Der Start

Pünktlich um 22 Uhr erfolgte der Startschuss. Zur gleichen Zeit wie in Biel macht man sich auch hier auf den Weg über eine große Runde. Ein paar schnelle Jungs zogen vorne davon, Henry war auch dabei. Die anderen ließen es etwas gemächlicher angehen. Ich lief mit Sylvie zusammen, Reginald hielt sich anfangs knapp hinter uns und Vincent begleitete uns mit dem Fahrrad. Ab und an fuhr er vor, holte den Fotoapparat hervor und knipste die immer dünner werdende Läuferschar.

Vor uns war, gut sichtbar, eine Gruppe von 4 Isländern. Weiße Shirts mit dem fetten Aufdruck 'Iceland'. Sie liefen geringfügig schneller als wir und waren nach 'wenigen' Kilometern (20?) außer Sichtweite.

An den Verpflegungsstellen gab es Schokolade, kleine Bananenstücke, Apfelsinenstücke, Wasser, Sportgetränk, Cola, Kaffee, Brühe und Blaubeersaft. Ich probierte alles mal, hatte allerdings zum Ende hin kaum noch Lust auf feste Nahrung. Eine Mischung von Blaubeersaft mit Wasser wurde mein Lieblingsgetränk.

Allerdings konnte ich an den Verpflegungsstellen kaum stehen bleiben, weil sich dann sofort eine Wolke von Mücken um mich herum bildete. Während des Laufens störten sie nicht, aber im Stehen waren sie lästig.

Irgendwann unterhielt ich mich mit Thomas aus Umea und entfernte mich so von Sylvie. Als es mir auffiel, überlegte ich, dass es wohl Zeit für uns beide wäre, unser eigenes Tempo zu laufen. Langsam machte ich mich davon und schaute nach vorne, ob ich wohl die Isländer sehen würde. Einen hatten wir schon frühzeitig überholt, aber die anderen drei waren wohl noch zusammen.

Gemeinsam durch die Nacht
Gemeinsam durch die Nacht

Wie so oft hatte ich bei km 40 einen kleinen Hänger. An der Marathonmarke, hier verbunden mit einer Zwischenzeitnahme und einer Verpflegungsstelle, gönnte ich mir 3 Minuten auf einem Stuhl. Und dann weiter. Zwei Kilometer weiter wartete eine Überraschung: Meine Frau, meine jüngste Tochter und Reginalds Freundin warteten hier. Der Waffelverkauf hatte sie angelockt. Ich nahm mir noch mal ein paar Minuten Zeit.

Nachts um 2
Nachts um 2

Bei km 50 schaltete ich meinen MP3-Stick auf Musik um. Mit dem 'Highway to Hell' ging's beflügelt weiter. Kurze Zeit später überholte ich die Isländer. Ich war so beflügelt, dass selbst meine Familie, die noch mal am Wegesrand auftauchte, mich kaum bremsen konnte. Es 'lief' richtig gut.

Allerdings, so schlau hätte ich sein sollen, dass man nicht 50 km vor Schluss zum Endspurt ansetzt.

Bei km 70 saß ich dann etwas geschafft auf einem Stuhl, als die Isländer wieder auf mich aufliefen.

Die waren doch überhaupt nicht mehr zu sehen gewesen.

Unterwegs
Unterwegs

Es stellte sich heraus, dass sie auch nicht intelligenter gewesen waren als ich. Einer der drei musste ihrem Zwischenspurt Tribut zollen und abreißen lassen, während ich mich an die beiden anderen hängte. Sie liefen wieder etwas schneller als ich, gingen dafür aber an den Steigungen etwas, so dass ich immer wieder aufschließen konnte. Irgendwann lief ich an ihnen vorbei und habe sie bis im Ziel nicht mehr gesehen.

An der Zwischenzeitnahme bei km 81 wurde mir gesagt, ich sei auf Platz 5 und der vor mir liegende 'nur 6 Minuten' vor mir. Na ja, 6 Minuten sind viel Zeit, und so machte ich mir keine Hoffnung, ihn noch einzuholen.

Langsam kam die Sonne etwas höher und es wurde etwas wärmer. Aber die ganze Nacht waren die Temperaturen angenehm und es war trocken. Auf der ersten Hälfte war die Strecke überwiegend rau, so dass man sehr aufpassen musste, wohin man trat. Die zweite Hälfte bestand aus asphaltierten Straßen, was bei der nachlassenden Konzentration sicher von Vorteil war.

Reginald - einsam durch die Nacht
Reginald - einsam durch die Nacht

Ein kurzer Boxenstopp an meinem Begleitfahrzeug sorgte für einen neuen Auftrag von Vaseline und ein frisches T-Shirt. Ich könne nicht mehr gewinnen, sagten sie, denn der Sieger sei schon im Ziel.

Es lief wieder gut und eine Verpflegungsstelle, die auf der 'falschen' Straßenseite und dort noch ein paar (vielleicht 20) Meter ab von der Straße lag, ließ ich rechts liegen. Die nächsten Kilometer war es warm und ich fragte mich ein paar Mal, ob ich diese Entscheidung nicht bereuen würde. Aber es ging gut.

Bald sah ich zwei Läufer vor mir. Zuerst dachte ich, sie wären aus der Gruppe, die zwei Stunden früher gestartet war, aber dafür waren sie zu schnell. Es war wohl der Läufer vor mir, der noch einen Begleiter hatte. Dieser drehte sich öfter um und beide beschleunigten ihr Tempo wieder.

Auf den letzten 5 km war wieder jeder km ausgeschildert. Meine Kilometerzeiten lagen nun zwischen 5:00 und 5:30 min und der letzte 5 km-Abschnitt wurde der schnellste meines Laufs.

Aber der Läufer vor mir war nicht einzuholen.

Das Schild '99 km' tauchte auf, die Kurve auf die lange Zielgerade, eine letzte Kurve, 20 m noch, das Zielbanner, geschafft.

Die letzte Kurve
Die letzte Kurve

10:12:19 h ist nun meine persönliche Bestzeit und bedeutet die Qualifikation für den Spartathlon.
Soll ich diesen Traum wirklich wahr machen?

Außer meinem privaten Fanclub erwarteten mich nur noch wenige Zuschauer, darunter Marek, der Läufer vor mir, der sich nachher unter der Dusche für das Finish bedankte.

Noch ganz erschöpft wurde ich zum Fototermin mit einer Samen-Frau in traditioneller Tracht (darunter allerdings Turnschuhe) gebeten.

Finisher-Foto
Finisher-Foto

Die beiden Isländer kamen als nächste Läufer 27 min nach mir ins Ziel und die Isländerin Elin Reed gewann so in 10:39:21 die Damenkonkurrenz.

Danach gingen wir alle zusammen zum Frühstück. Dort gesellte sich auch Henry zu uns, der mit neuem Streckenrekord von 7:48:08 und fast 2 Stunden Vorsprung gewonnen hatte.

Beim Frühstück
Beim Frühstück

Mit der neu gewonnen Kraft ging ich duschen und genoss eine Massage. Die Organisation war wirklich einwandfrei. Ein ziemlich großer Aufwand für 62 Läuferinnen und Läufer (wenn man die 60 Staffelläufer mal nicht zählt). Davon schafften 2 Läuferinnen und 30 Läufer die 100 km. 2 brachen noch nach 81,6 km ihren Lauf ab, 8 liefen bis zur Zeitnahme bei 63,9 km, 12 liefen 'nur' Marathon, 6 hörten bei der Zeitmessung bei km 38,2 auf und 2 erreichten keine Zeitnahme.

Leider war die Preisverleihung erst um 18 Uhr. So lange konnte unsere Müdigkeit leider nicht warten.

Wir machten uns auf den Rückweg zu Reginald, schliefen etwas und ließen Beine und Seele baumeln.

Danach verbrachten wir noch eine wunderbare Woche in Lappland und ließen uns eine weitere Woche Zeit für die Rückfahrt nach Süden.
Wir waren sicher nicht zum letzten Mal in Schweden. Und vielleicht sieht uns auch der Lapplandultra wieder.

 

Helmut



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