Direkt nach der Arbeit machten wir uns zu dritt auf den Weg nach Bonn.
Rudolf Mahlburg und seine Frau Brigitte hatten wieder zu einem
Rheinsteig-Erlebnislauf
der besonderen Art aufgerufen.
Warum besonders?
- Streckenlänge mit weit über 300 km und deutlich mehr als 10.000 Höhenmetern
- Gemeinschaftslauf statt Wettkampf
- Spendenlauf für muskelkranke Jungen (Duchenne-Muskeldystrophie)
Martine und Gabi wollten den Rheinsteig erwandern, während ich die Strecke laufen wollte. Da die Nachtquartiere für alle die gleichen waren, mussten die Wanderer natürlich einen Teil der Strecke mit Bussen und Bahnen zurück legen. Gleich blieb jedoch der Spendenbeitrag von 50 Cent für jeden der 320 Kilometer zwischen Bonn und Wiesbaden.
Mit einer Bundesbahn-typischen Verspätung kamen wir in der Jugendherberge an, bezogen schnell unser Zimmer und machten uns auf den Weg zum Abendessen. Dort bekamen Gabi und Martine einen ersten Eindruck davon, was Mehrtagesläufer so essen können - ein Eindruck, der sich in den nächsten Tagen weiter verfestigen sollte!
Der Start sollte jeden Tag um 8:30 Uhr erfolgen. So auch am ersten Tag. Um 7:00 Uhr saßen alle pünktlich beim Frühstück. Als Marschverpflegung schmierte sich jeder noch ein paar Brote; die meisten hatten auch noch ein paar Riegel eingesteckt. Auf den Zimmern wurden die Trinkrucksäcke gefüllt und die Taschen wieder gepackt. Die wurden uns von Herberge zu Herberge gebracht, so dass wir nur zwei bis drei Liter Wasser und etwas Proviant zu tragen hatten.
Ein benachbarter Kindergarten verabschiedete uns mit Luftballons und wir machten uns auf den Weg zum Start des Rheinsteigs am Alten Bonner Rathaus. Der Weg in die City von 5 km war eine erste Zugabe.
Am Rathaus ging es dann richtig los. Noch ein paar Hundert Meter linksrheinisch, dann über die Kennedy-Brücke, ein paar Kilometer den Rhein entlang bis Dollendorf. Soweit war ja noch alles halbwegs flach. Jetzt ging's ins Siebengebirge.
Steil ging's hoch zum Petersberg, wo wir vor dem ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung, heute
ein Steigenberger-Hotel, unsere erste Rast machten und unsere Trinkrucksäcke auffüllten.
Rheinsteig-typisch ging's nun runter ins (Nachtigallen-)Tal und wieder hoch zum Drachenfels.
Dann wieder 200 (Höhen-)Meter runter und 250 m hoch zur Ruine der Löwenburg.
Die Löwenburg war eine der Grenzfeste der Grafen von Sayn - aber dazu kommen wir später.
Nach weiterem Auf und Ab, bei dem wir Läufer mehrfach auf unsere beiden Wanderinnen trafen, näherten wir uns Unkel, wo uns schon ein Reporter auf seinem Rennrad entgegen kam. Für ein Foto liefen wir drei mal die gleiche Strecke (naja, nur 50 m), dann war es im Kasten.
Der Empfang in Unkel war unvergleichlich. Ein schönes Örtchen, alte Häuser, aber auch eine Blaskapelle und örtliche Honoratioren erwarteten uns. Ein Stand von Benni & Co e.V. informierte über Muskelschwund-Duchenne-Forschung.
Wohl jeder und jede merkte noch die gut 50 km des Vortages, als es am nächsten Morgen wieder auf eine ähnlich lange Etappe ging. Es war noch kühl und das Gras noch nass, aber wir liefen uns warm. Bis zur Erpeler Ley wurden wir von mehreren EtappenläuferInnen begleitet, die uns dort die Überreste der Brücke zwischen Erpel und Remagen zeigten und sich mit einem Verpflegungsstand verabschiedeten.
Wieder geht es runter, dann hoch zur Burg Ockenfels, runter nach und durch Linz und wieder hoch auf den Kaiserberg. Im Kaiserbergstadion trainiert eine Damenmannschaft und zwei nette Basketballerinnen drehen mit uns eine Ehrenrunde - soviel Zeit muss sein!
Erstmals sehen wir Weinberge, aber natürlich auch weitere Burgen (Burg Rheineck, Ruine Hammerstein), Schlösser (Schloss Arenfels) und den Limes. In Hammerstein machen wir einen kleinen Umweg, um im Weinhotel Emmel an einer Weinprobe teilzunehmen. Die anschließenden 10 Kilometer wurden schwer...
In Feldkirchen kamen wir 100 m vor dem Ziel an einer Eisdiele vorbei. Wie fast jede
Verpflegungsmöglichkeit auf der Strecke wurde auch diese intensiv genutzt.
In Alt-Wollendorf, unserem Quartier, hielt der Bürgermeister von Neuwied eine kurze
(wirklich!) Ansprache und überreichte einen Spendenscheck.
Das war eine nette Etappe. Es passierte wie so oft: Eine kleine Gruppe lief vor, meistens
mit ein paar EtappenläuferInnen, hohes Tempo, schöner Waldweg, sanft ansteigend
(das hätte Warnung genug sein müssen), man kommt in so einen Trott...
...und achtet nicht mehr auf die Rheinsteig-Schilder. Nach ca. 2 km meinte jemand:
"Wir haben schon lange kein Schild mehr gesehen..."
Schnell bis zur nächsten Kreuzung vorgelaufen, auch da kein Schild, also definitiv falsch.
Zurück zu den anderen und den ganzen Weg zurück. Leicht bergab - wirklich schön.
An der (verpassten) Abzweigung trafen wir dann auch unsere Wanderer wieder - die achteten
wohl besser auf die Schilder.
Nun war die 'Spitzengruppe' hinten und musste ordentlich Dampf machen. Zwischendurch teilten
wir uns in zwei Untergruppen. Ich setzte meine Hoffnung auf Rengsdorf, wo die nächste
Wasserstelle war. Kurz vor Rengsdorf trafen wir eine Frau, die dort gemütlich auf einer
Bank in der Sonne saß. Sie hatte die anderen gesehen - 5 Minuten?
Kurz hinter der Wasserstelle, die wir unbeachtet passierten, trafen wir auf die andere Untergruppe,
die sich nochmal etwas verlaufen hatte. Auch für den Römergraben hatten wir keine Zeit.
Kurz hinter Rengsdorf sahen wir vereinten Nachzügler nun das 'Hauptfeld' und hatten sie bald
wieder eingeholt. Uff.
Aber keine Zeit zum Verschnaufen, denn in Sayn waren wir mit dem Fürsten und der Fürstin
verabredet. Obwohl wir vom Bürgermeister im
Tierpark angekündigt waren, tankten wir dort
nur kurz Wasser - und beachteten die vielgepriesene Känguruhherde, sie ist die größte
zusammenhängende Herde von Grauen Riesenkänguruhs außerhalb Australiens, nicht.
Im Sayner Schlosspark liefen wir an der Eisdiele vorbei - schade - und direkt zur Schlossterrasse. Hier wurden wir vom Fürstenehepaar empfangen. Nachdem wir sämtliche Vorräte an Apfelschorle geleert hatten zogen wir weiter, berghoch zur Burg Sayn. Wieder ging es hoch und runter. Die nächste kurze Rast war am Pulverberg, auf der ein Römerturm stand. Wieder runter und wieder hoch. Mittlerweile machten sich die 5 km Umweg und die vergleichsweise hohe Geschwindigkeit bemerkbar. Doch gerade als die Lust (oder die Kräfte?) etwas nachließ, tauchte vor uns die Gaststätte Wüstenhof auf. Wieder waren unsere Wanderer schon vor uns da.
Die letzten 10 km zur Festung Ehrenbreitstein und der dortigen Jugendherberge brachten wir nun zügig hinter uns, denn dort wartete Alexandras Mann Wolfgang auf sie und uns mit Kaffee und Kuchen - herrlich!
Klaus hatte am Vortag ziemliche Zahnschmerzen. So bildeten wir nun wieder zwei Gruppen: Die eine begleitete Klaus zu einer Zahnärztin am Ort, die anderen liefen voraus. Nach einer Stunde kam Klaus zurück ins Wartezimmer, wo vier weitere Läufer warteten. Die Geruchsbelastung war enorm - er riss sofort das Fenster auf. Trotz Wurzelbehandlung und Betäubung ging es sofort weiter - hart.
Ein Höhepunkt dieser Etappe ist die Ruppertsklamm bei Lahnstein. Dort geht es auf 1,5 km 235 m bergab. Zwischen hohen Felsen muß man sich mehrfach an den zur Sicherung angebrachten Seilen entlanghangeln. Auf dem Rheinsteig gibt es einen parallelen, auch ausgeschilderten Weg, der bei Regen besser zu laufen ist. Leider hat irgendein freundlicher Zeitgenosse an der Stelle, wo sich der Weg teilt, ein Schild entfernt. Deshalb hat unsere Gruppe die Ruppertsklamm dieses Jahr verpasst.
Die andere Gruppe wurde von 'Frau Rheinsteig' begleitet. Karin Hünerfauth-Brixius ist Leiterin des Rheinsteig-Büros. Sie begleitete uns auf der gesamten Etappe, erklärte uns die Entstehung des Rheinsteigs und seine Pflege, machte Fotos von schönen Stellen und defekten Bänken und fachsimpelte mit ihrer Praktikantin Vera über die Geologie des rheinischen Schiefergebirges.
Bald geht es auf einer Fußgängerbrücke über einen Fluss und den Fluss entlang. Aber diesmal nicht der Rhein, sondern die Lahn. Wir sehen Burg Stolzenfels, Burg Lahneck und die Marksburg.
In Braubach machten wir noch mal Pause. Apfelstrudel mit oder ohne Sahne, aber auf jeden Fall mit Eis. Bei Benutzung der Toilette konnte man gleichzeitig noch die Wasservorräte auffüllen. Danach sind wir fü die letzten 15 km nach Filsen gerüstet, wo wir am Alten Tor schon von der Hotelbesitzerin Frau Karbach und unseren Wanderinnen empfangen werden.
Filsen liegt mitten an einer Rheinkehre; oder, wie letztes Jahr der Ortsbürgermeister meinte, "an der längsten Rheinschleife der Welt." Über die Wilhelmshöhe erreichen wir die (bewohnten) Burgen Sterrenberg sowie Liebenstein und kurz danach den höchsten Punkt des Rheinsteigs.
Wieder geht es mehrfach runter und rauf, vorbei an den Burgen Maus und Katz zur Loreley, unserem Etappenziel.
Bei der Loreley ist der Mittelrhein bis zu 25 m tief und nur 113 m breit. Dies ist die engste und tiefste Stelle des Rheins, weshalb auch heute noch die Rheinschifffahrt durch Lichtsignale vor Gegenverkehr gewarnt wird. Die gefährlichsten Felsen an der Loreley wurden jedoch in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gesprengt, so dass heute die Loreleypassage viel von ihrer früheren Gefährlichkeit verloren hat.
Letztes Jahr waren wir im Besucherzentrum auf der Loreley, diesmal konzentrierten wir uns auf das Restaurant in der Nähe. Ein Stück Kuchen und eine Portion Pommes, ggf. rot-weiß, waren die Standard-Bestellung. Dazu Kaffee oder Bier, je nach Geschmack. Danach ging's dann zum Abendessen! Ich glaube nicht, dass jemand bei dem Lauf abgenommen hat.
Noch mal eine lange Etappe mit reichlich Höhenmetern, bevor es im Rheingau flacher wird.
In Kaub kam uns Ruth entgegen, die im letzten Jahr den kompletten Rheinsteig mitgelaufen war und uns heute
für die restliche Etappe begleiten wollte.
Am Ortsausgang ging es wieder steil bergan, an einer noblen Zahn- und Schönheitsklinik vorbei in die
Weinberge.
Auf dieser Etappe verlassen wir Rheinland-Pfalz und kommen nach Hessen. An der 'Grenze' tragen wir uns
gemeinsam ins Grenzbuch ein.
Vom Aussichtsfelsen auf der Wirbellay hat man einen schönen Ausblick auf Bacharach, den wir wieder
für eine kleine Pause nutzten.
In Lorch hatte der Freund des Etappenläufers Ronald diverse Getränke und Kekse in seinem Kofferraum, die wir dankbar plünderten. Manche ergänzten die Nahrungsaufnahme auch noch in der benachbarten Frittenbude. In der waren wir letztes Jahr bei einer Regenschauer eingekehrt und hatten sie wohlgenährt verlassen.
Assmannshausen ist bekannt für seine Rotweine. Davon tranken wir abends und bekamen morgens vom
Bürgermeister noch ein paar Flaschen zum Abschied mit - keine dumme Idee.
Die Sesselbahn war leider noch nicht in Betrieb, so mussten wir den Berg laufend erklimmen.
Natürlich mussten wir wieder durch die Zauberhöhle des Grafen von Ostein
und fragten uns, welche Funktion die von ihm erbaute Ruine (schon als Ruine erbaut!) hatte.
Das 38 Meter hohe Denkmal symbolisiert die Wiedererrichtung des deutschen Kaiserreiches
nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Hauptfigur ist die Germania mit der Kaiserkrone
in der erhobenen rechten und dem Reichsschwert in der linken Hand.
Am Niederwalddenkmal gab es dann eine erste Rast. Die Kabinenbahn nach Rüdesheim blieb von
uns ungenutzt, wir liefen statt dessen zur Abtei St. Hildegard, zum Kloster Nothgottes
und zum Kloster Marienthal.
Am Schloss Vollrads machten wir wieder eine kleine Rast und füllten unsere Wasservorräte nach. Leider gab es hier keine Weinprobe, so dass ich eine Flasche kaufen musste.
Kurze Zeit später trafen wir auf ein Ehepaar, das es sich an einem schönen Plätzchen
mit ihrem Picknick gemütlich gemacht hatte. Sie erzählten mir, dass unsere beiden Wanderinnen
kurz vorher auch dort gewesen sind.
Weiter ging es zum Kloster Eberbach,
welches von einer drei Kilometer langen Mauer umgeben wird und im Mittelalter das größte
Weinbau-Unternehmen war.
Nun war es nicht mehr weit bis Kiedrich, wo wir im 1585 erbauten Rathaus mit Sekt und Saft empfangen wurden. Direkt anschließend bezogen wir unsere Zimmer im Hotel Scharfenstein und zogen weiter in ein nahegelegenes Restaurant, wo wir uns bis zum Abendessen bei Kaffee und Kuchen stärkten.
Nachdem wir das Frühstücksbuffet abgeräumt hatten, machten wir uns auf den Weg zur
letzten Etappe. Wieder begleiteten uns mehrere EtappenläuferInnen durch das malerische Städtchen
und hoch zur Burgruine Scharfenstein. Weiter ging es nach Schlangenbad, wo Deutschlands größte
(und ungefährliche) Schlange, die Äskulapnatter, heimisch ist.
Am Aussichtsturm auf dem Spitzen Stein trafen wir wieder unsere beiden Wanderinnen - wie Hase und Igel.
Bald schon hatten wir Wiesbaden erreicht. Warm war es geworden. Deshalb liefen wir an Schloß
Biebrich, dem Ende des Rheinsteigs, direkt vorbei und in die nahe gelegene Eisdiele.
Doch noch waren wir nicht am letzten Ziel, der Therme. Ein paar letzte Kilometer durch Wiesbaden,
dann war auch das geschafft. In der Therme duschten wir uns Dreck und Schweiß von der Haut,
bevor wir, je nach Geschmack, in die Sauna oder Schwimmen gingen.
Im Thermen-Restaurant stärkten wir uns noch mal gründlich für die Rückfahrt.
Wundert es jemanden, dass ich in den 8 Tagen nicht abgenommen habe?
Helmut