Pizza To Go

Erlebnisbericht vom Sibbesser Tag und Nacht Trail

am 13./14. August 2011

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Letztes Jahr, 2010, habe ich meinen ersten 100 Meilen-Lauf gemacht. Erst im Rahmen eines 24-Stunden-Laufs auf der Bahn (http://24-stunden-lauf.de/), dann beim Sibbesser Tag Und Nacht Trail - kurz STUNT. Sibbesse liegt etwa 50 km südlich von Hannover, also in Niedersachsen. 10 km weiter westlich fließt die Leine. Klingt doch alles harmlos, oder? Andererseits warnt die Webseite: "The STUNT 100 will definetly KICK YOUR ASS!" Ein Blick auf das Höhenprofil zeigt, dass sich der Veranstalter einige Mühe gegeben hat, nicht nur in den Niederungen zu bleiben, sondern diverse Hügel in die Strecke einzubinden. So summieren sich einzelne Steigungen von je 50 bis 200 zu insgesamt wohl gut 3000 Höhenmeter. Die Gegend ist schön, die Crew hat immer gute Laune, erfüllt einem fast jeden Wunsch - da musste ich einfach noch mal hin. Dieses Mal wollten wir zu dritt dahin.
Für Jörg Segger die erste Teilnahme, für mich die zweite und für Heinrich Dahmen (www.Spendenlauf.de) die fünfte. Allerdings hat Heinrich kurz vorher abgesagt - damit waren wir nur noch zu zweit.

Jörg und seine Frau Dagmar wollten mich im Auto von Jüchen aus mitnehmen. Ich war mir nur nicht mehr sicher, ob um 13 oder um 14 Uhr. Meine Zugverbindung war für 13 Uhr - aber wir verständigten uns telefonisch auf 14 Uhr. Also eine Stunde später zum Bahnhof. Allerdings: Der Zug fuhr nicht jede Stunde. Dumm gelaufen, aber dank Handy nicht wirklich problematisch. Kurz angerufen und den Zielort auf Rheydt verlegt. Dort ein kurze Begrüßung und ab auf die Autobahn. Unterwegs mal strömender Regen - den brauchen wir eigentlich nicht. Pünktlich waren wir zum Briefing in Sibbesse.

Erst mal Kaffee und Kuchen, ein Hallo den schon bekannten und den noch unbekannten MitläuferInnen. Danach gab es die 'Heiligen Worte' von Hansi: Was ist zu beachten, wo sind besonders schwierige Stellen, was tun im Notfall?

JedeR hatte im Vorfeld die GPS-Koordinaten bekommen und ein entsprechendes Gerät war Pflicht. Zusätzlich gab es jetzt auch noch Karten auf Papier. An einer handvoll Stellen würden wir zusätzlich noch kleine Hinweispfeile finden. Trotzdem hatte man noch reichlich Gelegenheit, sich zu verlaufen.

Nach dem Briefing wurde zusammen gegessen. Manche bauten draußen ihre Zelte auf, andere schliefen im Auto, Jörg und Dagmar hatten sich in einer Pension eingemietet und ich wurde von meinem Freund Andreas abgeholt, der 'in der Nähe' (knapp 30 km entfernt) wohnt. Dort angekommen quatschten wir noch etwas, aber dann wollte ich doch schlafen. Das Bett war zwar bequem, aber anscheinend stellte sich jetzt doch etwas Nervosität ein. Die hatte ich vorher vermisst - jetzt konnte ich sie nicht brauchen. 6:00 Uhr anziehen, direkt fertig präpariert. 6:15 Frühstück, 7:00 Abfahrt. In Sibbesse noch schnell die Tasche ins Verpflegungszelt gestellt und den obligatorischen Toilettengang vollzogen - es kann los gehen.

Am Start
Am Start

1. Runde

Der Start war unspektakulär. Wie im letzten Jahr auch, wurde das Teilnehmerlimit von 30 StarterInnen zwar erreicht, aber am Start waren wir weniger, nämlich 'nur' 26. Langsam setzte sich das Feld in Bewegung, durch die Felder, auf zum ersten Anstieg in den Wald. Letztes Jahr bin ich hier noch gelaufen, dieses Jahr will ich mir meine Kraft besser einteilen. Meine GPS-Uhr lasse ich aus.
Ihr Akku reicht nur für ca. 10 Stunden - und ich werde bestimmt länger brauchen. Wir sind zu dritt, und ich etwas vorne. Prompt verlaufe ich mich ein paar Meter. Bergab, runter durch einen kleinen Ort und schon kommen wir zu ersten Verpflegungsstelle in Godenau.

Noch frisch!
Noch frisch!

11,7 km geschafft. Etwas trinken, eine Kartoffel. Salz? "Oh, kommt auf die Liste, werden wir besorgen." Statt über einen Bahnübergang geht es dieses Jahr durch einen Tunnel. Und hoch auf den Duinger Berg, eine schöner Kammweg, von dem ich aber nicht viel mitbekomme, denn die Augen sind immer nach unten gerichtet: Steine, Wurzeln, Kletten, umgestürzte Bäume! Meine Beinlinge habe ich hoch gezogen, denn hier gibt es Zecken ohne Ende. Nach 4 km geht es wieder runter, durch Felder und durch Deinsen, dann hoch auf den Külf und auf dessen Kammweg wieder zurück nach Godenau.

Wasser
Wasser

Unterwegs gab es Brombeeren und Pflaumen - Verpflegung ist wichtig. Zusammen mit Michael Kohlbrok und Ferry van der Ent kam ich wieder in Godenau an. Am Verpflegungsstand dann wieder eine Kartoffel - diesmal mit Salz!

Nun wieder den ersten Berg hoch, nur umgekehrt. Ferry und Michael gingen den Anstieg etwas langsamer, ich also vorweg und prompt bog ich oben falsch ab. Ärgerlich. Jetzt wollte ich doch meine GPS-Uhr anmachen - nur leider wollte sie nicht. Dabei hatte ich sie doch frisch aufgeladen. Nunja, mit dem Akku-Pack, das in Sibbesse lag, sollte sie wieder funktionieren.

Am Ende der ersten Runde
Am Ende der ersten Runde

In Sibbesse, nach 50 km, dann erst mal lange Pause:
- Vaseline nachgetragen
- Brustwarzenpflaster kontrolliert und eines ausgetauscht
- Milchreis gegessen
- Nudelsalat gegessen
- ein Becher Cola und 0,5 l Apfelschorle getrunken
- die GPS-Uhr ans Akku-Pack

2. Runde

Nach 20 Minuten ging es dann weiter. Ich fummelte an meiner Uhr, aber sie wollte nicht so richtig. Mit Akku-Pack tat sie es, aber ohne nicht. Ich verlief mich wieder ein paar Meter, aber ein Fotograf rief mich zurück auf die Strecke. Ihm gab ich die Uhr und das Akku-Pack. Sch... - was nun? Ich rief Hansi an und schilderte ihm mein Problem. Aber erst mal musste ich die Strecke nach Karte finden oder auf einen Mitläufer warten. Ich rief auch noch Katrin an, die nicht weit weg wohnt und auch eine Garmin Forerunner hat. Und meinen Freund Georg, der aber leider nicht ans Telefon ging (Er sägte gerade Holz.)

Langsam ging ich Berg hoch, traf Jörg, der gerade den Berg runter kam, und wartete auf Michael, der hinter mir kam. Zusammen liefen wir weiter bis zur nächsten Verpflegung bei Kilometer 60. Genau in dem Moment als wir ankamen, kam Ellen im Auto angefahren, stieg aus und drückte mir einen Forerunner in die Hand. Voller Akku, die Strecke drauf - alles wieder im Lot.

Michael und ich liefen weiter. Letztes Jahr war ich zu dieser Zeit zwar etwas schneller, aber total platt. Ich merkte, dass Michael nicht so locker war und wollte ihn nicht ziehen. Als ich mal ein paar Meter Abstand hatte lief ich etwas schneller weiter, so dass jetzt jeder alleine und sein eigenes Tempo lief.

Unterwegs mit Raimund
Unterwegs mit Raimund

In Everode traf ich Ellen wieder, am Verpflegungsstand. Raimund wollte sich mir anschließen, um Jochen einzuholen. Die beiden wollte eigentlich zusammen laufen, aber Jochens Start war wohl schneller - zu schnell für Raimund. Zusammen begaben wir uns an den schrecklichen Anstieg bei Kilometer 71. Oben angekommen war das Schlimmste geschafft. Locker liefen wir weiter und verpflegten uns noch mal kurz bei km 74. Dort hörten wir, dass Jochen in Godenau warten würde. Also nichts wie weiter. Wir liefen zügig, die Strecke wurde flach und unverlaufbar - immer an der Leine entlang.

In Godenau
In Godenau

In Godenau trafen wir Jochen. Ich hatte mittlerweile meine Zeit von 2010 ein- und überholt. Es ging mir gut. Schnell eine Kartoffel, ein Cola, Flasche auffüllen und weiter. Immer noch flach, immer noch schnell und irgendwann waren Jochen und Raimund hinter mir nicht mehr zu sehen.

Zum Verpflegungstand bei km 90 ging es Berg hoch - endlich mal ausruhen! Ein kurzes Quatschen mit dem einsamen Verpfleger, ein Kaffee und weiter. Es ging mir gut, aber ich wusste auch, wie schnell sich das ändern kann. Die Stirnlampe hatte ich in Godenau in meinen Gürtel getan. Langsam wurde es dunkel, aber es ging noch. Kurz nach halb 10 kam ich wieder in Sibbesse an. Fast 1,5 Stunden schneller als 2010!

Ich hatte ein paar Mails bekommen. Von Ann, von Georg, von Katrin und Siggi, ... Unterstützung tut gut - danke!

Wieder Vaseline, Michreis, Nudelsalat, Flasche füllen. Ich wollte gerne um 22 Uhr wieder weg sein und das schaffte ich auch.

3. Runde

Letztes Jahr fühlte ich mich in der 3. Runde total frisch. Jetzt fühlte ich mich gut, aber nicht super. Mein Akku-Pack hatte ich in Sibbesse wieder an Bord genommen und füllte jetzt den Garmin damit. Es ging flach durch die Felder. Ich wollte Katrin und Siggi auf dem Laufenden halten. Sie waren auf einem 50. Geburtstag und wollten von dort aus nach Sibbesse kommen, um mich auf der letzten Runde zu begleiten. Aber, ach du Schreck, das Handy war weg.

An der Verpflegungsstation in der Garage bei km 108 sagte ich Bescheid. Aber viel war nicht zu machen. Handy-Nummern habe ich nicht im Kopf, noch nicht mal meine eigene. Aber vielleicht würde ja jemand das Handy finden...

Weiter ging es, Berg hoch und in den Wald, nach Diekholzen. Einsam im dunklen Wald. Die einen weit vor mir, die anderen weit hinter mir, kein Licht zu sehen.

In Bahnberg hatte ich mich letztes Jahr etwas verfranst, aber an der Stelle kam mir jetzt ein Läufer entgegen, also kein Problem. Es ging durch Diekholzen und zum Sportplatz. Wie an jeder Verpflegungsstelle wurde ich begeistert begrüßt - das lag bestimmt nicht an mir, die sind einfach so nett!

Ich fühlte mich gut, hatte mich Berg hoch ausgeruht. Mit Musik auf den Ohren ging es durch den Wald, recht flach, recht schnell. Als es wieder Berg hoch ging, sah ich zwei Lichter vor mir. Schnell kam ich näher, wir grüßten uns kurz und schon war ich vorbei. Allerdings verpasste ich die Abzweigung kurze Zeit später, musste zurück und noch mal and den beiden vorbei. Als es dann wieder bergab ging, fühlte ich mich gut. Flottes Tempo, angenehme Temperatur.

Bald würde eine Stolperstrecke kommen. Der Weg kaum erkennbar und viele Wurzeln. Also eher anstrengend für den Kopf als für die Beine. Getrunken hatte ich noch nicht, als ich an die Verpflegungsstelle bei km 120 kam. Ich sah einen Mini-Dickmanns - und schon war er weg. Da stand Pizza - Vegetarisch? - Ja! - ein Stück genommen und weg war ich schon wieder. Unter einer Minute, schätze ich. Das war der kürzeste Aufenthalt, den ich je an einer Verpflegungsstelle hatte.

Ungefähr zu der Zeit war der Sieger schon im Ziel!

Der Sieger
Der Sieger (Lars Donath)

Es ging weiter wie ich es im Kopf hatte. Letztes Jahr war ich hier mit Thomas zusammen, der kannte die Strecke aus dem Eff-Eff. Ich war froh, als ich sie hinter mir hatte. Dafür verlief ich mich dann prompt. Ich hatte wohl eine Abzweigung verpasst und lief 50 m zu weit 'links'. Immer parallel zur richtigen Strecke, aber es gab keine Abzweigung nach rechts. Am Ende musste ich zurück und sah einen 'Weg', den eine schwere Maschine hinterlassen hatte. Dort rein, und so die Hälfte der Distanz überwunden. Den Rest ging es über Äste und Sträucher und eine Böschung. Aber bald war auch das geschafft und ich kam wieder an die Verpflegungsstelle in Diekholzen.

Mittlerweile war ich genau 2 Stunden vor meiner 2010er Zeit. Letztes Jahr unter 26 Stunden - dieses Jahr unter 24 Stunden - das war mein Traum. Und machbar!

Leider verlief ich mich nun ein paar Mal. Ein Mal verpasste ich in Bahnberg den Einstieg in den Wald. Dafür konnte ich einem entgegen kommenden Läufer helfen, der seinen Einstieg (nun meinen Ausstieg) verpasst hatte. Hier traf ich auch Thomas und er erzählte mir, dass mein Handy gefunden worden sei :-)

Im Wald verlief ich mich noch Mal, aber das sind meist nur 100m. Meine Stirnlampe wurde dunkler - aber wie kann man im Wald die Akkus wechseln, ohne Licht?
Jörg kam mir entgegen und ich bat ihn, mir kurz zu leuchten. Ihm ging es gut und er war auch voll in seinem Zeitplan.

Wieder am Verpflegungspunkt in der Garage, erfuhr ich, dass mein Handy auf dem Weg nach Sibbesse ist. Aber wie soll ich jetzt Katrin und Siggi erreichen? Einen Kaffee, etwas essen und weiter.

Mit Musik ging es ganz gut, aber frisch war ich mittlerweile nicht mehr. Meine Fußsohlen machten sich bemerkbar, insbesondere auf steinigem Untergrund.

Nach etwas weniger als 21 Stunden war ich zurück in Sibbesse, gut in der Zeit. Hier warteten schon Kartin und Siggi. Sie waren schon früh gekommen, weil sie mich nicht erreichen konnten. Aber sie hatten permanent versucht, mich anzurufen. Und jemand hat das Klingeln gehört und so das Handy gefunden :-)

4. Runde

Mit Hansi
Helmut und Hansi Köhler, der Veranstalter

Nur noch 17 km, also nur noch wenig gegessen und getrunken und um 5:06 Uhr starteten wir auf die letzte Runde. Erst etwas gehen, dann langsam laufen, Berg auf gehen, langsam laufen, ... Um 6:20 waren wir am Wendepunkt in Godenau - jetzt nur noch 8,5 km. Wieder wenig Verpflegung, Verabschiedung von den netten Damen und auf ins letzte Gefecht.

Matthias kam uns entgegen. Nach 100 km hatte er noch geführt, nachher wurde er Achter. Wir sahen Marco und Georg, die ich vor fast 40 km an fast genau dieser Stelle im Dunkeln überholt hatte. Raimund und Jochen kamen uns entgegen, immer noch gemeinsam. Das Ziel kam immer näher und die Fußsohlen wurden fast unerträglich. Aber weiter. Die Zielgerade, Endspurt.

Im Ziel
Im Ziel

Platz 5 in 23:39 Stunden!

Erschöpft, platt, müde, glücklich, ...

Helmut und Katrin
Helmut und Katrin

Etwas essen, kaum Hunger. Schuh aus.

7 SMSe auf meinem Handy, ein paar schnelle Antworten.

Fast wieder frisch
Fast wieder frisch

Duschen, saubere Sachen und ab ins Jörgs Zelt.

Etwas unruhig geschlafen. Merkwürdiges Geräusch beim Aufwachen: Regen!

Aufstehen? Keine Lust.
Gut, dass ich schon im Ziel bin.
Schade für die anderen.

Irgendwann quälte ich mich dann doch raus, gemeinsames Frühstück mit Brötchen und Wespen.

Das Zeitlimit betrug 36 Stunden. In den ersten 24 Stunden davon hatte es kaum geregnet, nur mal ein paar Tropfen. Aber in den letzten 12 Stunden regnete es fast ständig und sehr stark. Mir taten die LäuferInnen Leid, die noch unterwegs waren.

Brigitte
Brigitte (nach der 2. Runde)

Heiner und Brigitte kammen zum letzten Boxenstopp und machten sich auf die letzte Runde. Beide finishten zum 5. Male!

Um 13:30 Uhr kam Jörg ins Ziel - seine Frau war noch nicht da (trotz Auto).

Eine halbe Stunde vor dem Zeitlimit kam Brigitte als Letzte ins Ziel. Sie sieht nicht besonders erschöpft aus. Erst mal ein Bier!

Mit Urkunde
Mit Urkunde

Punkt 16 Uhr Siegerehrung, dann Gruppenbild mit Dame (Brigitte, als einzige Frau).

Die Finisher
Die Finisher (fast alle)

Meine Sachen waren schon gepackt. Gabi war mittlerweile gekommen, um mich nach Aachen mitzunehmen. Ins Auto kam ich gut - aber fragt nicht, wie ich wieder raus gekommen bin...

Wann ist der Termin für 2012?

 

Helmut



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